Friedrich Halstenberg
Friedrich Halstenbergs Wirken war ein wissenschaftliches und politisches
Leben zwischen Raum und Finanzen oder auch langfristiger Rationalität
und kurzatmiger Opportunität. Er arbeitete zunächst in dem Fachgebiet
Raumordnung und Landesplanung durch Forschung und Lehre, in vielfältiger
beruflicher Praxis und schließlich in politischer Verantwortung.
Es folgten die Aufgaben eines Finanzministers von Nordrhein-Westfalen
und eines Schatzmeisters der SPD.
Geboren wurde Halstenberg am 12. Juni 1920 in Werfen
im Kreis Herford in Ostwestfalen. Prägende Erinnerung an seine Kind-
und Jugendzeit war die Wortkargheit in seiner Heimat. Er besuchte Volksschule
und Realgymnasium, machte 1938 Abitur und war dann Soldat.
Die Schreckenserfahrungen des Zweiten Weltkriegs haben ihn nie losgelassen,
das zeigte er vor allem im Gespräch mit Jüngeren. Nach dem Krieg
folgten das Studium der Rechtswissenschaften
an den Universitäten Göttingen, Köln und Bonn, das erste
juristisches Staatsexamen 1950 in Köln, das zweite 1955 in Düsseldorf,
die Promotion 1957 an der Universität Köln zum Dr. jur. mit
dem Thema "Das Verfahren der parlamentarischen Untersuchung nach
Artikel 44 des Grundgesetzes unter besonderer Berücksichtigung des
Verhältnisses zur Gerichtsbarkeit".
Schon nach dem ersten Staatsexamen arbeitete er
1951/1952 wissenschaftlich beim Deutschen Städtetag, 1954 bis 1962
war er Generalsekretär des Deutschen Verbandes für Wohnungswesen,
Städtebau und Raumplanung, 1959 bis 1962 Beigeordneter und Chefsyndikus
des Verbandes Kommunaler Unternehmen.
1962 begann die universitäre Tätigkeit,
Halstenberg wurde Honorarprofessor mit Lehrauftrag an der Technischen
Universität Hannover, 1968 auch an der Fakultät Raumplanung
der neu gegründeten Universität Dortmund. 1970 trug er mit seinem
gebündelten Fachwissen zum ersten "Handwörterbuch der Raumforschung
und Raumordnung" bei, mit dem Artikel "Raumordungsrecht".
Ebenfalls 1962 wurde er Ministerialdirigent und Leiter der Abteilung Städtebau
und Raumordnung im Bundeswohnungsbauministerium.
1965 ging er in die Agglomeration Ruhr. Er wurde
Verbandsdirektor des Siedlungsverbandes Ruhrkohlenbezirk (SVR). In seine
nur einjährige Amtszeit fiel am 1. Juli 1966 die Verab-schiedung
des Gebietsentwicklungsplans des SVR, des ersten integrierten Regionalplans
für die Ruhr-Agglomeration.
Mit dem Regierungswechsel in NRW 1966 von der Regierung Franz Meyers (CDU)
zur Regierung Heinz Kühn (SPD) wurde er Staatssekretär und Chef
der Staatskanzlei. In dieser Funktion war er fachlich prägend verantwortlich
für das Entwicklungsprogramm Ruhr 1968-1973, vorgestellt im März
1968, 15 Monate nach dem Regierungswechsel. Es ist bis heute ein fast
einzigartiges integriertes räumliches und finanzielles Entwicklungsprogramm,
das die Umgestaltung einer montanindustriellen Agglomeration bei heraufziehendem
strukturellem Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft
anstieß. Das Entwicklungsprogramm Ruhr ist gemessen an vielen anderen
räumlichen Konzepten von einer unvergleichlichen räumlichen
und thematischen Dimension und so immer noch zukunftsrelevant. Dem Entwicklungsprogramm
Ruhr folgte des Nordrhein-Westfalen Programm1970-75. Es musste allgemeiner
sein und konnte deshalb nicht raumentwicklungspolitische Genauigkeit besitzen.
Dennoch bleibt auch dieses Programm exemplarisch für den Versuch
planvollen staatlichen Handelns auf Landesebene.
Im Juli 1972 rückte Halstenberg über die
Landesliste in den Landtag von Nordrhein-Westfalen nach. Jetzt wurde er
Minister für Bundesangelegenheiten und blieb dabei Chef der Staatskanzlei.
Halstenberg machte den Versuch, die fachliche und räumliche Planung
des Landes fiskalisch umzusetzen. In dieser Konsequenz wurde er 1975 Finanzminister.
Hier war er weiter um Rationalität und Transparenz bemüht, letztlich
ohne Erfolg. Liberale Ideologie und sich ausbreitende wissenschaftliche
Skepsis standen panvollen Politikkonzepten entgegen. Halstenberg fasste
seine Erfahrungen in der melancholischen Weisheit zusammen, es sei das
Irrationale an Rationalisten in einer irrationalen Welt rational handeln
zu wollen.
Sein Rücktritt als Finanzminister 1978 wirkt heute als ein Vorzeichen
fiskalischer Desaster globaler Dimension. Konkret scheiterte er mit dem
Versuch, das "weltläufige Geld-Business" der Westdeutschen
Landesbank "unter angemessene Kontrolle zu zwingen" - Zitate
des SPIEGELS vom 19.12.1977. Dem so wissend-kritischen SPIEGEL, selbstverständlich
dem WestLBanker Ludwig Poullain und liberaler Ideologie missfiel das,
die FDP drohte mit Koalitionsbruch, Halstenberg ging. Mitglied des Landtags
blieb er bis zur Wahl 1980.
Nach dem Rücktritt wurde er Schatzmeister der SPD, bis 1984. Danach
beriet er von 1991 bis 1995 die Landesregierung von Brandenburg.
Schließlich widmete er sich, jetzt wissenschaftlich, wieder der
Finanzpolitik mit dem Buch "Staatsverschuldung. Eine gewagte Finanzstrategie
gefährdet unser Gemeinwesen" 2001. Halstenberg war noch einmal
seiner Zeit voraus - wie seit der globalen Finanzkrise 2008 und ihren
Folgen in Europa zu erkennen ist.
Er war Mitglied der Deutschen Akademie für Städtebau
und Landesplanung (DASL), der Akademie für Raumforschung und Landesplanung
(ARL) und der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES).
Friedrich Halstenberg starb am 3. November 2010 in Köln.
Sein Grab befindet sich auf dem Südfriedhof in Bonn.
Christoph Zöpel
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